Bundestagswahl: Wer verbessert die Chancen dicker Menschen auf dem Arbeitsmarkt?

Vorurteile, denen sich dicke Menschen auf dem Arbeitsmarkt gegenübersehen. Unabhängig von ihrer tatsächlichen Qualifikation und Leistungsfähigkeit haben sie daher erheblich schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und im Berufsleben als dünne Menschen. Sie verdienen sogar schlechter (Weight-Pay-Gap). Wir haben die Parteien im Vorfeld der Bundestagswahl gefragt, was sie dagegen tun werden.

Das Ergebnis ist ernüchternd. Gewicht ist keine durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützte Diskriminierungsdimension. Der Weg über eine der enthaltenen Diskriminierungskategorien wie Behinderung war mehrfach vor Gericht nicht erfolgreich, da hierfür verschiedene Bedingungen erfüllt sein müssen, die bei höherem Gewicht nicht zwangsweise gegeben sind. Die Klagen sind daher gescheitert. Trotzdem verweisen die Parteien vielfach auf dieses Gesetz. Nur eine Partei ist sich der Schutzlücke bewusst. Wir werden daher weiterhin dafür streiten, dass Gewicht in § 1 AGG aufgenommen wird, und auf den fehlenden Schutz vor Gewichtsdiskriminierung hinweisen.

Hotel in Cuxhaven: Dicke müssen draußen bleiben, Möbel gehen vor

Angelika Hargesheimer vor ihrem Hotel, Screenshot butenunbinnen.de

Im Beachhotel Sahlenburg am Strand von Cuxhaven müssen Hochgewichtige, Kinder und Menschen mit einer Behinderung draußen bleiben. Die Hotelbesitzerin hat sich ganz bewusst dafür entschieden, dass die Bedürfnisse der Designermöbel über denen der potentiellen Gäste stehen sollen und gibt das in den Buchungsbedingungen an: “Aus Haftungsgründen weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass das Interieur unseres Hauses für Menschen mit einem Körpergewicht von mehr als 130 kg nicht geeignet ist.”

Sie findet das nicht diskriminierend. Im Gegenteil, dicke Menschen auszuschließen, sieht sie sogar als Beitrag zum Diskriminierungsschutz: “Also ich finde es persönlich diskriminierend, dass ich so einen Anblick ertragen muss” Eine Satz, der dicken Menschen aus den Hasskommentaren im Netz bestens vertraut ist. Hier hat er ein eigenes Hotel.

Wir bedanken uns bei unserem Beiratsmitglied Dr. Friedrich Schorb dafür, dass er im Artikel so entschieden Kontra gegeben hat. Der Fall wurde von der überregionalen Presse aufgegriffen. In der BILD kommt hierzu auch unsere Vorsitzende, Natalie Rosenke, zu Wort.

buten un binnen
In diesem Hotel in Cuxhaven sind dicke Menschen nicht willkommen

BILD
Bei 130 Kilo ist Schluss: Nordsee-Hotel lässt keine dicken Gäste rein

Fit mit Körperhass? Nein Danke.

Es ist wieder soweit: Die Fitnessstudios blasen zum Angriff auf den Winterspeck und überbieten sich in der negativen Darstellung des dicken Körpers. Platz 1 geht dieses Mal an ACTIV FITNESS, wie wir finden. In der Kampagne “Weg mit dem Weihnachtsschmuck!” stellt die Kette dicke Menschen als Weihnachtskugel dar. Auf einen Kopf wird dabei bewusst verzichtet. Zurück bleibt ein Rumpf, der als unpersönliche Masse ins Szene gesetzt wird. Eine beliebte Form der entmenschlichten Darstellung, die als “headlessfatty” bekannt ist. 

Das Studio setzt auf Körperhass als Motivation für die Mitgliedschaft – und das sowohl in Bezug auf den eigenen Körper, sich dick fühlen genügt, als auch auf den dicken Körper ganz allgemein. ACTIV FITNESS trägt damit zur Stigmatisierung des dicken Körpers bei. Dem wollen wir uns entgegenstellen! In Zusammenarbeit mit Yes2Bodies, die uns auf die Schweizer Kampagne der Kette aufmerksam gemacht haben, ist daher die Aktion “Weg mit der Gewichtsdiskriminierung!” entstanden. Wir bitten Euch darum, unsere Aktion auf Facebook und Twitter zu unterstützen!

Unterstütze mit uns “Dick im Geschäft”

Gewichtsvielfalt ist selten ein Thema, wenn von Diversity gesprochen wird, denn bisher ist Gewicht keine in der Charta der Vielfalt genannte Diversity Dimension. Mit einem Klick könnt Ihr dazu beitragen, dass sich das ändert!

Der pme Familienservice​ hat es mit seiner Kampagne “Dick im Geschäft” in die Endausscheidung für die schönste Aktion 2019 der Charta der Vielfalt geschafft. Die Kampagne richtet sich gezielt an dicke Fachkräfte und fordert sie zur Bewerbung auf. „Das ist eine Win-Win-Situation für beide – für uns als Arbeitgeber, weil wir den Teil der Work Force ermutigen, bei uns zu arbeiten, der woanders schlechte Erfahrungen gemacht hat. Und es ist schön, in einem Unternehmen zu arbeiten, in dem man nicht wegen seines Körpergewichts gemobbt wird“.

Die Kampagne besetzt den dicken Körper positiv und bringt Gewichtsdiskriminierung zur Sprache, damit hat sie ganz klar unsere Stimme. Das siehst Du genauso? Dann auf zur Abstimmung – jede Stimme zählt!

Die Abstimmung läuft noch bis zum 12. Juli.

Zusatzgebühren für die Bestattung hochgewichtiger Menschen

“Man schließt die Augen der Toten behutsam; nicht minder behutsam muss man die Augen der Lebenden öffnen.” Behutsamkeit, in diesem von Jean Cocteau gewähltem Wort stecken Achtung und Würde gleichermaßen. Dem Toten gegenüber ist sie eine letzte stille Anerkennung seiner Menschlichkeit, den Hinterbliebenen ein Trost. Sie muss daher Prämisse sein für alle, die diesen letzten Weg gestalten. Dazu passen weder Rabattschlachten noch Zusatzgebühren, wie sie für die Beisetzung hochgewichtiger Menschen in mehreren Städten in Süddeutschland eingeführt wurden.
Der Mensch ist Teil seiner Gemeinde, unabhängig vom Körpergewicht. Wer den gesellschaftlichen Zusammenhalt fordert, muss sich hierzu klar bekennen – das schließt den Tod mit ein. Ja, für die Bestattung werden zusätzliche Sargträger und ein größeres Erdloch benötigt. Eine Form der Finanzierung, die den hochgewichtigen Menschen nicht aus unserer Gemeinschaft löst und auf ein abzuwiegendes Stück Fleisch reduziert, müssen wir aber genauso im Blick haben.

Wie erleben dicke Jugendliche den Einstieg in die Arbeitswelt? Interviewpartner*innen gesucht

Gewichtsdiskriminierung ist bisher ein wenig beforschtes Thema in Deutschland. Wir freuen uns daher sehr, eine weitere Anfrage aus dem Bereich Wissenschaft & Forschung weiterzugeben. Dies Mal werden dicke Jugendliche und junge Erwachsene gesucht, die schildern, wie sie ihren Berufseinstieg erleben. Bei Interesse stellen wir gern den Kontakt her.
“Gewichtsdiskriminierung bei der Ausbildungssuche ist das Thema meiner Bachelor-Arbeit, die ich zurzeit im Rahmen meines dualen Studiums schreibe. Die Fragestellung ist, ob und inwiefern dicke Jugendliche und junge Erwachsene bei der Bewerbung um betriebliche Ausbildungsstellen aufgrund ihres Körpergewichts benachteiligt werden. Daher suche ich Personen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren mit hohem Körpergewicht, die sich in der Ausbildungssuche befinden oder noch bis vor kurzem befunden haben, um mit ihnen über ihre Erfahrungen zu sprechen. Das Gespräch wird in Interviewform durchgeführt, entweder persönlich oder telefonisch und dauert ungefähr eine bis anderthalb Stunden. Alle Gesprächsinhalte werden komplett anonymisiert, sodass kein Rückschluss auf die Person möglich ist.
Wenn Sie sich persönlich oder jemanden in Ihrem privaten Umfeld angesprochen fühlen, freue ich mich über eine Rückmeldung.

Zu meiner Person: Ich studiere im dritten Jahr an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit im Studiengang „Beschäftigungsorientierte Beratung und Fallmanagement“ (neu: „Beratung für Bildung, Beruf und Beschäftigung“), bin vierzig Jahre alt und ein Mensch mit hohem Körpergewicht. Da ich selbst und auch Personen in meinem Umfeld entsprechende Erfahrungen mit Gewichtsdiskriminierung gemacht haben, habe ich mich entschieden, dies zum Thema meiner Abschlussarbeit zu machen.”

Shopping wird komfortabler: Der Handel entdeckt breite Gänge als Wettbewerbsvorteil

“Die Zukunft des Handels ist das Einkaufserlebnis”, das war klarer Konsens der Anwesenden Vertreter*innen des Handels in der gestrigen Bezirksverordnetenversammlung von Berlin Mitte. Gute Nachrichten für dicke Menschen: auf breite Gänge wird hierbei in besonderem Maße Wert gelegt. “Unsere Märkte sind heute insgesamt zwei Meter breiter bei gleicher Anzahl von Regalen”, so Jenny Stemmler von der Lidl Dienstleistung GmbH. Doch die räumliche Situation ist nur ein Faktor, der die Bummellaune beflügelt, ein weiterer, besonders entscheidender, ist das Sortiment.
Vor allem im Bereich Bekleidung hat der Handel hier die Bedürfnisse dicker Menschen bisher verschlafen. “Ein Drittel der Damenoberbekleidung wird inzwischen online erworben.” Diese von Nils Busch-Petersen vom Handelsverband Berlin-Brandenburg eingebrachte Zahl verwundert wenig. In den meisten Bekleidungsgeschäften ist die Auswahl ab Konfektionsgröße 50 nicht nennenswert. Der Druck durch den steigenden Anteil des Online-Handels ist damit ein Stück weit hausgemacht. Für eine Trendwende wird der ortsansässige Handel den dicken Menschen jenseits von Diät-Produkten und Shaping-Unterwäsche als Konsumenten entdecken müssen.
Weiter Informationen finden Sie in demnächst im Protokoll zur 11. öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit, Ordnungsamt und Gleichstellung – Top 4.2 Einzelhandel in Mitte vor großen Herausforderungen.

Workshop: Gewichtsdiskriminierung im Kindesalter

Photo © ruslanshug / fotolia.de

Gewichtsdiskriminierung ist die häufigste Form der Diskriminierung an Schulen, dennoch wird sie kaum adressiert. In diesem Workshop wollen wir gemeinsam einen Blick darauf werfen, wie stark das Dicksein das Leben und Erleben von dicken Kindern bestimmt.
Die Sensibilisierung für Gewichtsdiskriminierung ist dabei nur der erste Schritt. Sie sollen in die Lage versetzt werden, präventiv und interventiv arbeiten zu können, denn in einer Gesellschaft, die den dicken Körper ablehnt, brauchen dicke Kinder Verbündete.
Warum dicke Kinder lieber “normal” sein möchten statt Astronaut*in
Alice Salomon Hochschule (ASH)
07. Oktober, 11:00 bis 18:00 Uhr
Raum 122
Referentin: Natalie Rosenke
Der Workshop richtet sich an Personen, die ehrenamtlich oder beruflich mit dicken Kindern und Jugendlichen arbeiten. Die von der ASH erhobene Teilnahmegebühr beträgt 15,00 EUR. Interessierte wenden sich bitte an Frau Jana Meincke.

Anonymisierte Bewerbungsverfahren: eine Chance für dicke Menschen

DW-Kachel-FB-25„Haben Sie eine Essstörung oder schmeckt es Ihnen einfach nur?“ Mit welchen Fragen im Vorstellungsgespräch die Qualifikation geprüft wird, ist bisweilen erstaunlich – und diskriminierend. Vor allem dicke Menschen sehen sich hier häufig Vorurteilen gegenüber. Aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes gelten sie als leistungsschwach und nicht repräsentabel, da weder dick und gesund noch dick und schön in unserer Gesellschaft eine denkbare Kombinationen darstellen.
Das Photo im Lebenslauf senkt die Chancen dicker Bewerber*innen signifikant. Das zeigt eine Studie der Universität Tübingen, für die 127 Personalentscheider*innen befragt wurden. Dicke Frauen schnitten hier besonders schlecht ab: 98 Prozent der Befragten trauten ihnen keine prestigeträchtigen Berufe wie Ärztin oder Architektin zu. Von anonymisierten Bewerbungsverfahren würden dicke Menschen damit insofern profitieren, dass sie diesen Vorurteilen im Bewerbungsgespräch zumindest Paroli bieten könnten, statt bereits im Vorfeld stillschweigend aussortiert zu werden.
SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben sich im Rahmen des von uns initiierten Projekts “Die Wahlprüfsteine” klar für anonymisierte Bewerbungsverfahren ausgesprochen. Sie sehen dies als eine notwendige unterstützende Maßnahme, um die “verfestigten Strukturen” aufzubrechen. Die CDU/CSU steht dieser zusätzlichen Form der Prävention von Diskriminierung ablehnend gegenüber. Sie setzt auf die bestehenden Maßnahmen, „die ein bewusstes Umdenken bei den Personalverantwortlichen“ fördern sollen. Die FDP sieht zwar das Potential der Maßnahme, will aber, dass es eine „freiwillige Entscheidung der Unternehmen bleibt, sich für ein solches Bewerbungsverfahren zu entscheiden.“ Die ausführlichen Antworten der Parteien finden Sie auf der Website des Projekts “Die Wahlprüfsteine”.
Universität Tübingen
Übergewicht bringt berufliche Nachteile
SPON
Miese Vorstellungsgespräche: “Haben Sie eine Essstörung, oder schmeckt es Ihnen einfach nur?”

Wieviel politischer Protest steckt im Genuss eines Donuts?

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Immer mehr Anbieter “gesunder Snacks” drängen auf den Markt. Als gesund gelten dabei vor allem Nüsse, Saaten und Trockenfrüchte. Mission More gehört dazu und hat gerade die Kampagne “Bevor du bist, was du isst.” gestartet. Auf den Plakaten werden hierbei Genussmittel wie Donuts und Schokolade als die schlechte Wahl im Vergleich zum eigenen Produkt dargestellt. Warum eigentlich? Den zarten Schmelz einer Schokolade zu haben, ist eine sehr sinnliche Vorstellung. Die Antwort: Dafür steht die Schokolade hier nicht.
Sie dient als Symbol für eine kalorienreiche und “ungesunde” Ernährung, die in unserer Gesellschaft mit dem dicken Körper assoziiert ist. Er ist die eigentliche Drohkulisse, die den Kaufanreiz für das “gesunde” Produkt schaffen soll. Leider wieder ein Beispiel dafür, wie im Kontext von “gesunder Ernährung” Gewichtsdiskriminierung entsteht.