Es ist ein besonderes Jahr für die Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung. Aus unserer Initiative “Die Wahlprüfsteine” ist der “Wahlkompass Antidiskriminierung” entstanden. Gemeinsam mit dem Antidiskriminierungsverband Deutschland sind wir Träger des Projekts, dem sich für die Landtagswahl in Hessen 34 Organisationen angeschlossen haben, um gemeinschaftlich mit Fragen zu Diskriminierungsschutz, Gleichberechtigung und Teilhabe an die Parteien heranzutreten. Wir haben erneut Wahlprüfsteine zum Thema Gewichtsdiskriminierung eingebracht. In den kommenden Tagen werden wir nach und nach die Antworten als Countdown zur Wahl veröffentlichen.
Die GRÜNEN Frauen* fordern einen Diskriminierungsschutz für das Merkmal Gewicht
Auf dem ersten GRÜNEN Frauen*parteitag haben sich die GRÜNEN Frauen* für die Aufnahme des Merkmals Gewicht ins Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) von Berlin ausgesprochen. Das Gesetz ist in der Entwurfsphase. Es wird von der Rot-Rot-Grünen Koalition in Berlin ausgestaltet. Mit der Aussage, dass Gewichtsdiskriminierung den Menschenrechten zuwider läuft, haben die GRÜNEN Frauen* das Thema klar auf die Agenda für die weiteren Gespräche gesetzt.
Es könnte einer der Beschlüsse sein, auf den die deutsche Fat Acceptance Bewegung als Meilenstein zurückblicken wird. Wir sagen Danke dafür, insbesondere in Richtung der Berliner LAG Frauen* und Gender, die den Antrag eingebracht hat.
Gewichtsdiskriminierung wird Thema im Herrenhäuser Gespräch
„Dick oder Dünn? Der Tanz ums goldene Körpergewicht“, so lautet das Thema des 51. Herrenhäuser Gesprächs. Die renommierte Veranstaltungsreihe von VolkswagenStiftung und NDR Kultur hat insgesamt vier Expert*innen aufs Podium gebeten, darunter die Gründerin der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung, Stephanie von Liebenstein. Die Veranstaltung im Tagungszentrum Schloss Herrenhausen (Hannover) steht Interessierten offen, der Eintritt ist frei.
Podiumsrunde:
Prof. Dr. Eva Barlösius
Institut für Soziologie, Leibniz Universität Hannover
Prof. Dr. Jutta Mata, Lehrstuhl für Gesundheitspsychologie
Universität Mannheim
Stephanie Frfr. von Liebenstein
Gründerin der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung
PD Dr. Thomas Ellrott
Institut für Ernährungspsychologie, Georg-August Universität Göttingen
Dieses Herrenhäuser Gespräch wird am 23.09.2018 um 20.00 Uhr im NDR Sonntagsstudio ausgestrahlt.
Diskriminierung, aber mit Smiley
Die Antidiskriminierungsverbände Netzwerk Artikel 3 und Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung kritisieren die Twitter-Aktion des GKV-Spitzenverbands zum diesjährigen World Emoji Day als diskriminierend. Dieser hatte am 17.7. anlässlich des inoffiziellen Feiertages Emojis für verschiedene Gesundheitszustände vergeben. Parkinson wurde zur winkenden Hand, die einseitige Lähmung zum schmunzelnden Smiley, Impotenz zu einem nach unten zeigenden Da men und Adipositas zu einem Schweinchen. Betroffene und Antidiskriminierungsorganisationen kritisieren die Aktion als unsensibel und stigmatisierend.
Im Zentrum der Kritik steht dabei, dass durch die Aktion Krankheitsbilder ins Lächerliche gezogen und einseitige Stereotype wiederholt werden: So kann eine Leberzirrhose auf ganz unterschiedlichen Ursachen beruhen, unter anderem einer chronischen Virushepatitis. Die Repräsentation der Erkran- kung durch alkoholische Getränke – wie in der GKV-Aktion geschehen – verstärken jedoch das in der Bevölkerung ohnehin schon vorherrschende stigmatisierende Bild, dass die Betroffenen doch eigentlich selbst schuld an ihrer Erkrankung seien.
Die Wahl eines Schweins zur Darstellung von Adipositas verdeutlicht, in wie hohem Maße der “Witz” dabei auf Kosten der Betroffenen ging. „Dass dicke Menschen sich ausgerechnet vom Spitzenver- band der gesetzlichen Krankenkassen als fette Sau bezeichnen lassen müssen, ist erschreckend. Wir wehren uns gegen diese Form von Entmenschlichung,“ so Natalie Rosenke, Vorsitzende der Gesell- schaft gegen Gewichtsdiskriminierung. Bei der Darstellung dicker Menschen als Schwein schwinge auch das Vorurteil mit, dicke Menschen seien maßlos, verfressen und impulsiv.
Der Dritte Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigt: Diese Sicht auf dicke Menschen ist nicht ungewöhnlich im Gesundheitswesen. Das Risiko, im Bereich Gesundheitswesen anhand des Gewichts diskriminiert zu werden, ist ausgesprochen hoch. Menschen mit einer Behinderung oder psychischen Erkrankung erfahren hier ebenfalls auffallend häufig Diskriminierungen. Sie werden viel- fach nicht ernst genommen, und ihre individuellen Bedürfnisse bleiben allzu oft unberücksichtigt.
Der GKV-Spitzenverband hat sich inzwischen für den Tweet entschuldigt, doch Fragen bleiben: Wie kann es sein, dass ausgerechnet die Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekas- sen in Deutschland einen Beitrag dazu leistet, die Diskriminierung dicker Menschen weiter zu ver- schärfen? Natalie Rosenke stellt klar: „Von einem Spitzenverband wie dem der gesetzlichen Kran- kenversicherungen, die für die Gesundheitsversorgung der Mehrzahl der deutschen Bevölkerung zuständig sind, erwarten wir als Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung, dass er es als seine Aufgabe begreift, diskriminierende Stereotype abzubauen statt sie noch zu befördern“.
Pressemitteilung als PDF
Anti-Diät-Tag 2018: das Thema "Gewichtsdiskriminierung" nimmt politisch Fahrt auf
Am Internationalen Anti-Diät-Tag 2018 blicken wir mit Freude auf einen Start ins Jahr zurück, der für die Akzeptanz dicker Menschen in unserer Gesellschaft einen entscheidenden Wendepunkt darstellen könnte. In Berlin sind die Forderungen der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung auf Landesebene von der SPD aufgegriffen worden. Die JUSOS des Bezirks Mitte konnten sämtliche Bezirksverbände für die Anliegen unseres Forderungskatalogs gewinnen und die SPD Berlin-Mitte für drei der Hauptforderungen, darunter die Aufnahme des Merkmals Gewicht in das Landesantidiskriminierungsgesetz von Berlin. Sollte diese Erweiterung des Diskriminierungsschutzes umgesetzt werden, würde Deutschland damit eine Vorreiterrolle innerhalb Europas einnehmen. Bisher gibt es mit Reykjavík nur eine Stadt, die einen Schutz vor Diskriminierung anhand von Gewicht gesetzlich festgeschrieben hat.
Für die kommenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern werden wir unsere Forderungen in Wahlprüfsteine umformen und mit den so entstandenen Fragen an alle Parteien herantreten, die eine gute Chance auf den Einzug in den Landtag haben. Wir werden damit den Grundsteine dafür legen, dass wir zukünftig vergleichbar gute Neuigkeiten aus weiteren Bundesländern für Sie haben.
Ihr Team der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung
Unser politischen Forderungen für das Land Berlin
JUSOS Berlin
Beschluss F2_1/18
SPD Berlin-Mitte
Beschluss A18/I/2018
Deutschlandfunk Kultur: "Fett und selber schuld? Was tun gegen Diskriminierung dicker Menschen?"
Über dieses Thema haben am 07.04.2018 Dr. Susanne Maurer und unsere Vorsitzende, Natalie Rosenke, in der Sendung “Im Gespräch” debattiert. Die Sendung steht in der Mediathek zum Nachhören bereit.
"Die Dicken sind doch selber schuld!" – eine typisch deutsche Haltung?
Ein hohes Gewicht wird in Deutschland vor allem als selbstverschuldet betrachtet, so das Ergebnis einer repräsentativen Studie des Max Planck Instituts. Der Grad der zugesprochenen Verantwortlichkeit lag hier bei 78,2 Prozent und damit vor den USA mit 77,6 Prozent und UK mit 70,2 Prozent. Fast jeder Dritte in Deutschland ist darüber hinaus der Meinung, dass dicke Menschen ihre Behandlung selbst bezahlen sollten.
Zusatzgebühren für die Bestattung hochgewichtiger Menschen
“Man schließt die Augen der Toten behutsam; nicht minder behutsam muss man die Augen der Lebenden öffnen.” Behutsamkeit, in diesem von Jean Cocteau gewähltem Wort stecken Achtung und Würde gleichermaßen. Dem Toten gegenüber ist sie eine letzte stille Anerkennung seiner Menschlichkeit, den Hinterbliebenen ein Trost. Sie muss daher Prämisse sein für alle, die diesen letzten Weg gestalten. Dazu passen weder Rabattschlachten noch Zusatzgebühren, wie sie für die Beisetzung hochgewichtiger Menschen in mehreren Städten in Süddeutschland eingeführt wurden.
Der Mensch ist Teil seiner Gemeinde, unabhängig vom Körpergewicht. Wer den gesellschaftlichen Zusammenhalt fordert, muss sich hierzu klar bekennen – das schließt den Tod mit ein. Ja, für die Bestattung werden zusätzliche Sargträger und ein größeres Erdloch benötigt. Eine Form der Finanzierung, die den hochgewichtigen Menschen nicht aus unserer Gemeinschaft löst und auf ein abzuwiegendes Stück Fleisch reduziert, müssen wir aber genauso im Blick haben.
Gewichtsdiskriminierung: ein Fall für den Verbraucherschutz
Für das Verbrauchermagazin SUPER.MARKT sucht der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) dicke Menschen, die Fälle schildern, in denen sie als Verbraucher*in stark benachteiligt oder sogar diskriminiert wurden. Den Impuls für das Sendungsthema gab laut Redaktion “der Fall einer Zuschauerin, die ein Sofa reklamieren wollte, was ihrer Meinung nach schlecht gepolstert war und erhebliche Stabilitätsmängel hatte. Sie bekam zu hören, dass es sich um eine Überbelastung aufgrund ihres Gewichts handelt.”
Was bedeutet die GroKo für das Thema "Gewichtsdiskriminierung"?
Seit den frühen Morgenstunden steht fest, dass Deutschland zukünftig von einer Großen Koalition regiert werden wird. Mit CDU, CSU und SPD kommen dabei Parteien zusammen, die sehr unterschiedliche Position zum Thema Gewichtsdiskriminierung vertreten. Die Union sieht hier zu allererst Forschungsbedarf und lehnt einen eigenen Diskriminierungsschutz für das Merkmal Gewicht ab. Die SPD dagegen will das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) weiterentwickeln. Basis hierfür soll der Dritte Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) sein. Aus diesem Bericht geht ein hohes Diskriminierungsrisiko für dicke Menschen im Bereich Gesundheit und Pflege hervor. Ein gesetzlicher Diskriminierungsschutz für das Merkmal Gewicht läge damit auf der Hand.
“Wir verurteilen Rassismus und Diskriminierung in jeder Form”, dieser Satz aus dem Koalitionsvertrag beschreibt den kleinsten gemeinsamen Nenner der Positionen: die Ablehnung von Gewichtsdiskriminierung. Damit lässt sich in dieser Legislaturperiode eine Erweiterung des Merkmalkatalogs des AGG nicht herbeiführen, allerdings verschafft der Satz “Aktionspläne werden wir fortführen und weiterentwickeln” der SPD womöglich eigene Handlungsspielräume. „Was bedeutet die GroKo für das Thema "Gewichtsdiskriminierung"?“ weiterlesen