Gesundheitspolitik auf mexikanisch

Knapp zwei Jahrzehnte nachdem die Weltgesundheitsorganisation WHO offiziell ein hohes Körpergewicht zur Epidemie erklärt hat, gilt nicht länger die USA als Hotspot der neuen „Gesundheitskatastrophe“, sondern ihr südlicher Nachbar. Mittlerweile reagiert die mexikanische Regierung auf das Phänomen mit einer Reihe von Maßnahmen, die international Aufsehen erregen. Dazu zählen unter anderem: Eine Steuer auf Softdrinks und hochkalorische Nahrungsmittel und in der Hauptstadt Mexiko-City Fitness-Automaten an Busstationen. Wer es schafft, an diesen Geräten zehn Kniebeugen zu machen, bekommt einen Schrittzähler geschenkt – finanziert wird dieser von einem Getränkehersteller, dessen Produkte als maßgeblich verantwortlich für die Gewichtszunahme angesehen werden. Ursprünglich war geplant, die Automaten in U-Bahnstationen zu integrieren. Als Preis für herausragenden Körperfleiß war ein Freiticket vorgesehen. Doch in der Metro ließen sich die Geräte aus logistischen Gründen bislang nicht aufstellen.
Die Reaktion der mexikanischen Regierung auf das steigende Körpergewicht der Bevölkerung ist beispielhaft für eine konsequente Quantifizierung und Individualisierung von Gesundheit wie sie sich in allen Staaten, die das Körpergewicht der Bevölkerung zum Problem erklärt haben, so oder so ähnlich wiederfinden. Zum einen setzt sie Gesundheit und Körpergewicht in eins: Die gesundheitlichen Probleme weiter Bevölkerungsteile werden auf ihr Körpergewicht zurückgeführt, die Lösung der gesundheitlichen Probleme liegt allein in einer Reduktion des Körpergewichts. Zum anderen individualisiert sie die Verantwortung für das Erreichen eines niedrigen Körpergewichts. „Gesundheitspolitik auf mexikanisch“ weiterlesen

Feiertage sind zum Feiern da

“Durch das Wohnzimmer zu tanzen nach ein paar Gläsern Wein zählt als Bewegung.”
Glenys O Rebel, zugelassene Ernährungsberaterin, Los Angeles
Von dieser entspannten Haltung können sich hierzulande viele Ernährungsberater eine Scheibe abschneiden, die immer noch die gegrillte Pute als Ersatz für die Gänsekeule anpreisen, wie zum Beispiel gerade wieder in der BILD Zeitung:
21.12. BILD (online)
“Frohes Fett: So wird Ihr Weihnachtsmenü figurfreundlich”
Das Wort “Fett” ist übrigens kein Tippfehler von uns.

Kritik an der S3-Leitlinie zur "Prävention und Therapie der Adipositas"

Die S3-Leitlinie ist erstmalig 2007 erschienen und liegt seit April 2014 in der Version 2.0 vor. Sie dient als Blaupause für die Behandlung dicker Menschen im medizinischen Bereich und listet auch einen Reihe von wenig beachteten Ursachen für ein hohes Gewicht auf:
Auszug Tabelle 3.1.6

  • familiäre Disposition, genetische Ursachen
  • Schlafmangel
  • Stress
  • depressive Erkrankungen
  • endokrine Erkrankungen (z. B. Hypothyreose, Cushing-Syndrom)
  • Medikamente (z. B. Antidepressiva, Neuroleptika, Phasenprophylaktika, Antiepileptika, Antidiabetika, Glukokortikoide, einige Kontrazeptiva, Betablocker)
  • andere Ursachen (z. B. Immobilisierung, Schwangerschaft, Nikotinverzicht

In der Leitlinie selbst ist diese Aufstellung allerdings ebenfalls nur eine Randnotiz: Sie widmet diesem Fakt 1 von 105 Seiten und weist die hierfür erforderlichen Untersuchungen (5.5) wie die Prüfung des TSH-Wertes zur Feststellung einer Schilddrüsenunterfunktion sogar als weniger relevant (Empfehlungsgrad B) und fakultativ aus. „Kritik an der S3-Leitlinie zur "Prävention und Therapie der Adipositas"“ weiterlesen

Ein hohes Gewicht verbessert die Überlebenschancen bei Sepsis

Adipositas gilt im Gesundheitswesen als “Staatsfeind Nummer 1”. Begründet wird dies gern mit einer durch das hohe Gewicht verkürzten Lebenserwartung. Wie wenig haltbar dieses Argument ist, zeigte bereits die 1994 veröffentlichte Düsseldorf Obesity Mortality Study (DOMS), bei der mehr als 6000 PatientInnen mit einem BMI von 25 (Praeadipositas) bis 74,4 (Adipositas Grad III) 30 Jahre lang begleitet wurden. Es stellte sich heraus, dass Geschlecht und Alter einen wesentlich größeren Einfluss auf die Sterblichkeit hatten als das Gewicht. Für die gesundheitliche Verdammung des dicken Körpers in der Form, wie sie derzeit betrieben wird, gibt es damit keine wissenschaftliche Grundlage. „Ein hohes Gewicht verbessert die Überlebenschancen bei Sepsis“ weiterlesen

Zahl dicker Kinder steigt nicht mehr

Entgegen allen Prognosen steigt die Zahl der Kinder, deren Gewicht über den gängigen Grenzwerten liegt, nicht länger an bzw. sinkt sogar: vor allem bei Mädchen und Vorschulkindern: und das nicht nur in Europa sondern auch in den USA. Woran es liegt? Manche Beobachter schreiben den Trend den Maßnahmen zur Bekämpfung der “Adipositas-Epidemie” an Kitas und Schulen zu. Allerdings waren es dieselben Experten, die stets behauptet haben, das Schlimmste stünde erst noch bevor und jetzige Maßnahmen wirkten erst in Jahrzehnten. Vielleicht ist es aber auch so, dass man einfach nicht weiß, warum das Körpergewicht der Bevölkerung in vielen Staaten zwischen 1980 und 2000 angestiegen ist, und warum es jetzt offensichtlich nicht weiter ansteigt.
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Süddeutsche Zeitung: Keine Sozialhilfe mehr für dicke "Sportmuffel"

“Übergewichtige” Sozialhilfeempfänger sollen in Großbritannien zu Sportkursen verdonnert werden, unter der Drohung, ihnen bei Nichtbefolgen die Stütze zu kürzen. Überwacht werden soll das Ganze mit Hilfe einer Chipkarte. Was wie eine schlechte Collage aus Sozialdarwinismus, Healthismus und Überwachungsstaat klingt, ist von den Stadträten der Gemeinde Westminster leider Ernst gemeint.