Adipositas gilt im Gesundheitswesen als “Staatsfeind Nummer 1”. Begründet wird dies gern mit einer durch das hohe Gewicht verkürzten Lebenserwartung. Wie wenig haltbar dieses Argument ist, zeigte bereits die 1994 veröffentlichte Düsseldorf Obesity Mortality Study (DOMS), bei der mehr als 6000 PatientInnen mit einem BMI von 25 (Praeadipositas) bis 74,4 (Adipositas Grad III) 30 Jahre lang begleitet wurden. Es stellte sich heraus, dass Geschlecht und Alter einen wesentlich größeren Einfluss auf die Sterblichkeit hatten als das Gewicht. Für die gesundheitliche Verdammung des dicken Körpers in der Form, wie sie derzeit betrieben wird, gibt es damit keine wissenschaftliche Grundlage.
Während die vermeintlichen Nachteile eines hohen Gewichts in aller Munde sind, bleiben Studien, die einem hohen Gewicht einen positiven Effekt zuschreiben (müssen), fast immer unbeachtet. Oft beziehen sich diese Studien auf die Überlebenschancen von Patienten im Kontext von Krankheitsbildern, für die ein hohes Gewicht als Ursache betrachtet wird wie z.B. akutes Herzversagen. Man spricht daher vom s.g. Adipositas-Paradoxon: Der dicke Patient hat im Ernstfall nachgelagert die besseren Chancen zu überleben.
Dieser Effekt wurde im August von der University of Michigan nun auch für Sepsis bestätigt: Die Sterberate der Patienten mit einem höheren Gewicht lag 41 Prozent unter der Sterberate der normalgewichtigen Patienten. Die Überlebenswahrscheinlichkeit stieg sogar mit der Höhe des Gewichts, so dass die Sterberate im Randbereich der Skala um bis zu 54 Prozent reduziert war.
Ärzteblatt
Adipöse überleben Sepsis häufiger
Universität Michigan
Obesity paradox in survival from sepsis
Fazit: Der dicke Mensch scheint der Wissenschaft nicht recht den frühen Tod zu gönnen, der ihm stets vorhergesagt wird. Es ist wohl an der Zeit, endlich dieses Argument zu Grabe zu tragen.