Gewichtsdiskriminierung: eine alltägliche Erfahrung in Deutschland?

Zitat-Christine-LuedersDie Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hat Ende Juni auf der Bundespressekonferenz im Rahmen ihres Berichts für den Bundestag die Ergebnisse der Studie “Diskriminierungserfahrungen in Deutschland” vorgestellt.
Im Fokus der Studie standen die sechs im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) genannten Merkmale Geschlecht, sexuelle Identität, ethnische Herkunft, Religion, Behinderung und Lebensalter sowie der soziale Status. Obwohl Diskriminierungen anhand des Körpergewichts damit nicht direkt abgefragt wurden, war die Fallzahl so hoch, dass Gewichtsdiskriminierung im Abschlussbericht der Studie mehrfach Erwähnung findet.
Wir haben dazu mit Chrstine Lüders, der Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, gesprochen.
Laut Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) wurden 634 Fälle von Gewichtsdiskriminierung geschildert. Hat Sie diese hohe Zahl überrascht, insbesondere weil ja nicht direkt nach Gewicht gefragt wurde?
Überrascht hat mich das nicht, denn zum einen ist es ja schon seit vielen Jahren ein Thema, dass insbesondere übergewichtige Menschen mit vielen Vorurteilen zu kämpfen haben und unter Herabwürdigungen und Ausgrenzung leiden. Auch in unserer Beratungsstelle gibt es dazu gelegentlich Anfragen. Zum anderen haben sich 18.000 Menschen an der Umfrage beteiligt, die nicht repräsentativ war – die Zahl der Schilderungen ist also zunächst einmal kein Hinweis auf die Häufigkeit der Vorkommnisse, sondern nur, dass es diese Erfahrungen gibt. Aber eines ist klar: Was von Menschen als Diskriminierung erlebt wird, deckt sich nicht zwangsläufig mit den per Gesetz festgelegten Gründen – also Alter, Behinderung, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion/Weltanschauung oder sexueller Identität.
Welchen Handlungsbedarf sehen Sie anhand des Berichtes?
Der Bericht beschäftigt sich ganz grundsätzlich mit Diskriminierungserfahrungen in Deutschland – und mit der Frage, wie die Rechte von Betroffenen gestärkt werden können, beispielsweise durch die Einführung eines Verbandsklagerechts. Außerdem haben wir einen Schwerpunkt auf Benachteiligungen bei der Jobvermittlung gelegt. Wir haben uns aber auch genauer angesehen, in welchen Bereichen es konkret Diskriminierungserfahrungen gibt. Dabei werden auch Diskriminierungen aufgrund des Aussehens, der “sozialen Herkunft” oder des Familienstatus thematisiert. In einigen EU-Ländern ist der Katalog der gesetzlich geschützten Diskriminierungsgründe entsprechend weiter oder anders gesetzt als bei uns. In dem Bericht kommen die Antidiskriminierungsstelle und die zuständigen Beauftragten der Bundesregierung in ihren gemeinsamen Empfehlungen zu dem Schluss, dass Möglichkeiten für eine Erweiterung der im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) genannten Schutzgründe geprüft werden sollten.
Die Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung fordert eine Erweiterung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) um das Diskriminierungsmerkmal Gewicht. Wie stehen Sie dazu?
Ob eine entsprechende Erweiterung eine sinnvolle Forderung ist, können wir auf der Grundlage unserer jetzigen Erkenntnisse noch nicht bewerten. Aber es ist auf jeden Fall ein Thema, das nicht ignoriert werden sollte. Der Bericht gibt darauf klare Hinweise, insbesondere im Gesundheitsbereich.