Wer dick bleibt, muss zahlen – Klassenkampf von oben im Namen des Schlankheitswahns

Im Bundesstaat Mississippi sollte ein Gesetz erlassen werden, das Versicherten der staatlichen Krankenkasse medicare –  also Rentnerinnen und Rentner, die sich keine private Versicherung leisten können sowie Menschen mit attestierter Arbeitsunfähigkeit –  verpflichten sollte, Abnehmprogramme zu absolvieren und dabei Gewicht zu verlieren. Andernfalls drohten erhöhte Zuzahlungen für Behandlungen und Medikamente. Die Proteste gegen den Gesetzentwurf waren erfolgreich. Das Vorhaben wurde gestoppt.

In Puerto Rico sollen derweil Eltern verpflichtet werden, ihre Kinder zur Gewichtsabnahme zu nötigen. Andernfalls drohen Strafen zwischen 500 und 800 Dollar. Auf einer Insel, auf der 56 Prozent der Kinder in Armut aufwachsen, ist das viel Geld. Schlimmer noch: Die Eltern der dicken Kinder, denen es nicht gelingt abzunehmen werden in dem Gesetzentwurf als „child abuser“, also als Kindesmisshandler bezeichnet.

In Großbritannien hat Premier David Cameron die Forderung aufgestellt, den ca. 100.000 Menschen, die Sozialleistungen aufgrund attestierter Arbeitsunfähigkeit erhalten und adipös, alkoholkrank oder drogenabhängig sind, die Bezüge zu kürzen, wenn sie sich nicht dem für sie vorgesehenen Therapieplan folgen können. Wörtlich sagt er: “Manche haben Drogen- oder Alkoholprobleme, lehnen eine Behandlung aber ab. In anderen Fällen haben die Leute Gewichtsprobleme, die man angehen könnte, aber stattdessen fällt die Wahl auf ein Leben von Sozialhilfe anstelle von Arbeit. In seiner Rede machte Cameron damit zum einen deutlich, dass er dicke Menschen prinzipiell für essgestört hält, da er die Behandlung eines hohen Gewichts mit der von Suchtkrankheiten gleichsetzte. Zum anderen betonte Cameron, dass er die hart arbeitenden Engländerinnnen und Engländer nicht länger für die disziplinlosen Taugenichtse zahlen lassen möchte. Das hatte er so ähnlich schon in seiner Auftaktrede für den Wahlkampf 2008 angekündigt. Darin hieß es wörtlich: »Wir reden hier von Leuten, die von Adipositas bedroht sind, nicht von Leuten, die zu viel essen und sich zu wenig bewegen. Wir reden hier über Leute, die von Armut oder sozialem Ausschluss betroffen sind, als seien Dinge wie Übergewicht, Alkoholmissbrauch und Drogensucht äußerliche Phänomene wie das Wetter oder die Pest.«

Der Eton-Buddy David Cameron hat in seiner Verachtung für diejenigen, die sich nicht wie seinesgleichen im großen Stil bereichern können, noch nie hinterm Berg gehalten. 2011 randalierten und plünderten diejenigen, die für die Folge der Finanzkrise zahlen mussten tagelang im ganzen Land. Auf die Unruhen folgten wie von Cameron angekündigt drakonische Strafen. Ein Mann kam für sechs Monate ins Gefängnis: für den Diebstahl von Wasserflaschen. Eine Mutter wurde zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt, weil sie geklaute T-Shirts angenommen hatte. Mehr Empathie und Verständnis hat der Premier des Vereinigten Königreichs, das auf seinem Territorium ein halbes Dutzend Steueroasen vereint, für Menschen wie Stephen Green. Green war als HBSC-Chef verantwortlich für organisierte Steuerhinterziehung in einem Umfang von mindestens 180 Milliarden Euro in der Schweizer Filiale der HBSC. Schlimmer noch: unter seiner Ägide half HBSC dubiosen Geschäftsleuten und Diktatoren beim Waschen von Geldern aus illegalen Waffengeschäften, illegalem Diamantenhandel und Drogenhandel. Cameron machte Green 2010 zum Handelsminister: ein Jahr nachdem der Skandal durch den Whistblower Hervé Falciani aufgeflogen war. Falcianis Daten halfen Finanzämtern und Staatsanwaltschaften weltweit bei der Fahndung nach säumigen Steuerhinterziehern. Die britischen Behörden zeigten sich sehr zurückhaltend beim Eintreiben der Steuern, die den hart arbeitenden Engländerinnen und Engländern vorenthalten wurden. Auf Strafverfahren wurde komplett verzichtet. Erst Ende 2013 verabschiedete sich Stephen Green aus dem Kabinett Cameron. Im Februar 2015 zog er sich schließlich auf öffentlichen Druck hin aus dem Beirat des britischen Bankenverbandes zurück. Zu diesem Zeitpunkt verteidigte Cameron seinen Kumpel Green noch immer vor dem Untersuchungsausschuss des Parlaments.