Die S3-Leitlinie ist erstmalig 2007 erschienen und liegt seit April 2014 in der Version 2.0 vor. Sie dient als Blaupause für die Behandlung dicker Menschen im medizinischen Bereich und listet auch einen Reihe von wenig beachteten Ursachen für ein hohes Gewicht auf:
Auszug Tabelle 3.1.6
- familiäre Disposition, genetische Ursachen
- Schlafmangel
- Stress
- depressive Erkrankungen
- endokrine Erkrankungen (z. B. Hypothyreose, Cushing-Syndrom)
- Medikamente (z. B. Antidepressiva, Neuroleptika, Phasenprophylaktika, Antiepileptika, Antidiabetika, Glukokortikoide, einige Kontrazeptiva, Betablocker)
- andere Ursachen (z. B. Immobilisierung, Schwangerschaft, Nikotinverzicht
In der Leitlinie selbst ist diese Aufstellung allerdings ebenfalls nur eine Randnotiz: Sie widmet diesem Fakt 1 von 105 Seiten und weist die hierfür erforderlichen Untersuchungen (5.5) wie die Prüfung des TSH-Wertes zur Feststellung einer Schilddrüsenunterfunktion sogar als weniger relevant (Empfehlungsgrad B) und fakultativ aus. Kernthema bleibt somit die Ernährung, obwohl fast alle genannten Ernährungsempfehlungen (4.1.1.) durch Zusätze wie “wahrscheinlich” und “kann … begünstigen” relativiert werden und sich dieser Ansatz als wenig nachhaltig erwiesen hat:
“Wir wissen, dass 80 bis 90 Prozent aller Gewichtsreduktionsprogramme keinen Erfolg bringen – oft sind die Teilnehmer am Ende sogar schwerer als vorher.”
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE)
In diesem Kontext werden von der S3-Leitlinie auch verschiedene kommerzielle Gewichtsreduktionsprogramme durch den Hinweis geadelt, dass sie den Qualitätsanforderungen der Kommission entsprechen. So ist denn auch bei Dr. med. Gunter Frank bereits ein Werbeflyer von Bodymed – ein Formuladrink als Ersatz für Mahlzeiten – mit einem entsprechenden Hinweis auf diese Empfehlung eingegangen.
Die Darstellung dieser Programme als “klinisch bedeutsam” hatte er bereits während der Erarbeitung der neuen Version der S3-Leitlinie zur “Prävention und Therapie der Adipositas” kritisiert. Wir veröffentlichen im Folgenden mit seinem Einverständnis sein damaliges Schreiben an die Kommission, das noch viele weitere Punkte der Adipositasleitlinie kritisch unter die Lupe nimmt und werden uns mit der Leitlinien-Komission in Verbindung setzen, da wir auch den weiteren Verlauf des Briefwechsels inklusive der Antworten veröffentlichen möchten.
Kommentierung der Konsultationsversion der interdisziplinären S3-Leitlinie zur “Prävention und Therapie der Adipositas” von Dr. med. Gunter Frank (PDF)
S3-Leitlinie zur “Prävention und Therapie der Adipositas” (PDF)