Diskriminiert und stigmatisiert werden in westlichen Gesellschaften vor allem die Menschen, deren Gewicht nach oben von dem abweicht, was als normal definiert wurde. Dabei gilt, dass das, was als normal wahrgenommen wird, vom jeweiligen historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Kontext ebenso abhängig ist wie von der Schicht- und Geschlechtszugehörigkeit der Betroffenen.
Gewichtsdiskriminierung wird durch die Akteure aus Medizin, Psychologie und den Sozialwissenschaften, die mit der Bekämpfung von “Übergewicht” beschäftigt sind, zwar bedauert, aber – anders als andere Diskriminierungsformen – meist als unvermeidbare und somit als quasi natürliche Folge des Körpergewichts angesehen. Das hängt damit zusammen, dass Dickleibigkeit (Adipositas) vorrangig als ein medizinisches Problem verstanden wird, also als eine Abweichung von einem unter naturwissenschaftlichen Prämissen als gesundheitlich optimal eingestuften Körpergewicht, das mit medizinischen Mitteln wiederhergestellt werden muss.
In der öffentlichen Wahrnehmung wird ein als zu hoch empfundenes Körpergewicht dagegen weniger als medizinisches Phänomen, denn als Zeichen einer Charakterschwäche mit fatalen Folgen für die Gesundheit der Betroffenen, das Gesundheits- und Sozialsystem und langfristig für den gesamten Wirtschaftsstandort betrachtet.
“Übergewicht” wird nicht nur als Ursache für Finanzierungsprobleme des Gesundheitswesens und des Sozialsystemes insgesamt gesehen. Darüber hinaus dient Gewichtsdiskriminierung häufig auch als Platzhalter für gesellschaftlich stärker sanktionierte Formen der Diskriminierung wie Sexismus und Rassismus. Gewichtsdiskriminierung dient – wie andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – nicht zuletzt dazu, sich durch Abwertung anderer im Konkurrenzkampf einen Vorteil zu verschaffen und die gesellschaftlichen Ausschlussmechanismen, die diesen Vorteil erst ermöglichen, als gerechtfertigt und “verdient” erscheinen zu lassen.
Wir fordern: Niemand sollte aufgrund seines Körpergewichts diskriminiert werden und Gewichtsdiskriminierung sollte gesellschaftlich ebenso geächtet werden wie Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung.