Armes Deutschland

Satiriker haben es nicht leicht. Von ihnen werden Kreativität, Sprachwitz und originelle Gedanken verlangt. Was aber, wenn man als Satiriker sein Geld verdienen muss und weder über Kreativität, Witz oder Sprache noch über originelle Gedanken, geschweige denn irgendwelche Gedanken verfügt. Ja, was dann? Dann kann man es immer noch mit Derbheiten und Beleidigungen a la »fette Sau«, »Breitarschgazelle« und »tsunamigeballter Wabbelbolzen ohne Hals« versuchen, so wie Andreas Koristka kürzlich im Neuen Deutschland.
Um aber ungestraft pöbeln zu können, muss auch der selbsternannte Satiriker sich genau überlegen, wen er da beleidigt. Am besten eine “Minorität”, denn man will es sich ja nicht mit der Mehrheit verscherzen. Doch nicht jede Minorität ist im Zeitalter der Political Correctness für Beleidigungen geeignet. Koristka glaubt mit der “Minorität der Dicken” fündig geworden zu sein. Deren Anliegen, nicht länger diskriminiert werden zu wollen, findet Koristka einfach nur lächerlich. Er schreibt: “Doch nicht nur die Dicken, auch andere gesellschaftliche Gruppen gehören entdiskriminiert. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass man immer noch schief angeguckt wird, wenn man in den öffentlichen Verkehrsmitteln popelt und gleichzeitig die dritte Strophe von Mickie Krauses »Zehn nackte Frisösen« rülpst”. Etwas, dass Koristka womöglich auch mangels anderer Fähigkeiten offensichtlich gerne macht, wenn auch nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern in den Zeitungsredaktionen des Neuen Deutschlands oder des Eulenspiegels. Ironisch ist daran eigentlich nur, dass Koristka mit seinem Gepopel und Gerülpse unfreiwillig die Notwendigkeit der Arbeit von Vereinen wie der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung untermauert. Und noch in einem weiteren Punkt sind Koristkas Ausfälle unfreiwillig komisch. Denn was er nicht gemerkt hat: Die Dicken sind gar keine Minorität. Mehr als die Hälfte der Deutschen ist übergewichtig. Unter den über 60jährigen sind es beinahe vier von fünf und in Ostdeutschland liegen die Zahlen sogar noch etwas höher. Mit anderen Worten: Koristka hat mit seiner Kolumne “Dicke aller Länder”  fast den gesamten Abonnentenstamm des Neuen Deutschlands beleidigt.
Schon 1983 schrieb der Schrifsteller Gabriel Laub in seinem Buch “Der Aufstand der Dicken” den Wohlbeleibten folgendes ins Stammbuch: “Wehrt Euch gegen jede Diskriminierung! Euer Gewicht in der Gesellschaft ist groß. In jedem zivilisierten Gemeinwesen, in dem ein gewisser Wohlstand herrscht, bildet Ihr die zahlenstärkste Bevölkerungsgruppe. Warum erlaubt ihr, daß man euch verfolgt.
DICKE ALLER GEWICHTE! VEREINIGT EUCH ZUR VERTEIDIGUNG EURER RECHTE!”
Wenn sich die Leserinnen und Leser des Neuen Deutschland das zu Herzen nehmen, dann heißt es bald Armes Deutschland.