Eine Kolumne zeichnet sich zumeist dadurch aus, dass aktuelles Zeitgeschehen pointiert beleuchtet wird, doch dieses Schmunzeln mit Aha-Effekt will sich bei der Lektüre des Artikels “Die dünne Frau, das Übel der Welt” (SPON) nicht recht einstellen.
Es ist kaum eine neue Nachricht, dass sich das Schönheitsideal im steten Wandel befindet, interessant ist allerdings, wie sehr wir das inzwischen als Bedrohung empfinden, weil das Mobbing an den Flanken dieses Ideals immer aggressiver wird. Da möchte man natürlich nicht in den “roten Bereich” geschubst werden, denn obwohl wir täglich auf unseren Individualismus pochen, sind wir nicht in der Lage, die individuelle Schönheit eines jeden Menschen zu erkennen oder zumindest den Körper der anderen unkommentiert passieren zu lassen.
Unbeholfen stolpern wir mit der Checkliste der Werbeindustrie auf unser Gegenüber zu und vergessen dabei völlig, dass Ziel jeder Werbung die Zuweisung eines Mangels ist, um einen Bedarf zu wecken. So wärmt uns die strahlende Schönheit längst nicht mehr die Sinne, sondern lenkt unseren Blick erschauernd auf den Schatten, den wir in ihrer Anwesenheit selbst werfen.
Eine gewisse Kritik daran lässt sich im Kommentar von Sibylle Berg sicherlich ausmachen, doch warum braucht es dafür ironische Pfeilspitzen wie “Der großartige neue Trend geht zum fülligen Modell”? Wem hier das Wort großartig nicht mit 4 “O”s geschrieben scheint, der nutzt als Lesehilfe vermutlich eine rosarote Brille.
Zynische Seitenhiebe in Richtung des Internationalen Anti-Diät-Tages wirken ähnlich kontraproduktiv, wenn der “Frauenkrieg […] dick gegen dünn, groß gegen klein.” beklagt wird. Wer diesen nicht will, muss sich für – an dieser Stelle sind 4 gedachte “Ü”s herzlich Willkommen – die Darstellung von Gewichts- und Formvielfalt stark machen. Sicherlich wird nicht jedes Körperbild in gleichem Maße Zuspruch erhalten, das ist aber auch weder das Ziel noch ein entscheidender Punkt dieses Ansatzes.
Es geht um die Würdigung und Akzeptanz der Vielfalt. Übrigens eines der wichtigsten Ziele des Feiertages, der in der Kolumne mehr als humoristische Randnotiz dient, so als wäre er erst im Fahrwasser des von Frau Berg ausgemachten Trends dem Schaum entstiegen oder die letzte Bastion einer beharrlich verteidigten “Komfortzone”. Ein Irrglaube: Der Internationalen Anti-Diät-Tag wurde 1992 von der britischen Buchautorin und Feministin Mary Evans Young ausgerufen, weil sie lange Zeit mit ihrer Magersucht zu kämpfen hatte.